Das Verfügungsfonds-Projekt „Figur auf Sockel“ in den Rheinanlagen: Für Künstler Wolfgang Hahn ist es „eine offene Projektionsfläche für Uerdingen“.
Am 13.11.2022 wurde auf Initiative der Interessengemeinschaft Rheinstadt Uerdingen e.V. eine Skulptur in den Uerdinger Rheinanlagen eingeweiht und im Rahmen eines Festaktes an die Stadt Krefeld übergeben. Oberbürgermeister Frank Meyer nahm die Schenkung entgegen, mit der die IG ein Projekt abschließen konnte, für das sie sich seit nunmehr 17 Jahren engagiert hat. Dies haben wir zum Anlass genommen, um ein Interview mit dem Künstler Wolfang Hahn zu führen, der die Skulptur entworfen hat.
Herr Hahn, Sie haben die Skulptur „Figur auf Sockel“ erschaffen, die auf Initiative der IG Rheinstadt Uerdingen in den Rheinanlagen aufgestellt wurde. Diese Idee der IG Rheinstadt liegt nun schon länger zurück. Können Sie uns erzählen, wie die Zusammenarbeit mit Ihnen entstanden ist? Wie ist ihr Bezug zu Uerdingen?
Als die Idee für die Skulptur entstanden ist, habe ich selbst noch in Uerdingen gewohnt – direkt am Rhein, bei offenem Fenster konnte ich die Schiffe vorbeifahren hören. Daher habe ich noch heute eine Verbindung zum Stadtteil. So entstand damals auch der Kontakt zur IG, der Vorsitzende Klaus Elfes und ich waren Nachbarn. Ich wurde angesprochen als es darum ging, Ideen für die Neugestaltung des Platzes „Am Obertor“ zu entwickeln, und machte einen ersten Entwurf für eine Skulptur. Da die Planungen für diesen Bereich sich jedoch anders entwickelten und es nicht zu einer Aufstellung der Skulptur kam, einigte man sich mit der Stadt Krefeld auf eine Errichtung in den Rheinanlagen.
Über das Werk wird im Stadtteil viel gesprochen, selbst einen Spitznamen hat es schon. Dabei bewegt die Menschen auch, was die Skulptur darstellt und welche Bedeutung sie hat. Würden Sie uns Ihre Sicht näherbringen?
Zunächst einmal: Es stört mich überhaupt nicht, dass sehr früh ein Spitzname für die Figur entstand. Was mir nicht gefallen hat, ist lediglich die Tatsache, dass dieser in der Presseberichterstattung so ein starkes Echo gefunden hat. Denn dadurch wird der Figur sozusagen ein Stempel aufgedrückt, jeder sagt dann „Das ist der Rheinkadett!“, weil es so in der Zeitung stand. Das verhindert jedoch, dass die Menschen sich selbst damit beschäftigen, was die Figur darstellen könnte, und eine eigene Position finden. Ich bin jedoch nicht derjenige, der der Figur eine feste Bedeutung zuschreibt, die von den Menschen dann verstanden werden müsste. Das ist nicht mein Ansatz. Für mich ist vielmehr ganz klar: Dieses Werk ist jetzt für den Stadtteil da, es ist eine offene Projektionsfläche für die Menschen, jeder kann das Werk so interpretieren, wie er oder sie möchte. Alle Betrachter sind dazu aufgerufen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Es ist doch schön, wenn man im Kopf damit spielen kann. Daher ist die Figur auch so platziert, dass man vom Rheindeich aus sozusagen auf Augenhöhe mit ihr ist.
Kunstwerke im öffentlichen Raum werden mitunter kontrovers diskutiert, regen aber auch zum Dialog und zum Austausch an. Was ist Ihrer Meinung nach die Aufgabe von Kunst im öffentlichen Raum?
So denke ich ehrlich gesagt nicht, das ist so eine pädagogische Haltung. Ich bin ja kein Pädagoge, sondern Künstler. Die Skulptur ist fertig, und sie steht jetzt dort. Was davon zu halten ist, das ist völlig offen, und ich überlasse es den Menschen, das jetzt unter sich ausmachen.
Könnten Sie uns erläutern, wie der Entstehungsprozess Ihrer Skulpturen ist? Wie gestaltet sich der Weg von der Idee bis zum fertigen Werk?
Dazu muss ich zunächst sagen, dass ich mich derzeit nicht mehr mit Skulpturen dieser Art beschäftige, heute mache ich andere Dinge. Die „Figur auf Sockel“ stammt aus einer anderen Schaffensphase. Sie war damals auch nicht die erste Figur dieser Art, sondern Teil einer Serie. Ich bin in meiner Arbeit schon immer auf der Suche nach möglichst einfachen Formen, und letztlich stellt die Figur einfach einen Menschen dar – vergleichbar vielleicht mit einem dreidimensionalen Piktogramm. Sie ist ähnlich wie z.B. ein Ampelmännchen, sozusagen der Prototyp des Menschen, in dem sich jeder wiedererkennen kann. Dadurch besteht auch die Chance, sich selbst in der Figur zu sehen. Insgesamt hat diese Serie von Figuren aber auch einen sehr ernsten Hintergrund: Es gibt auch ein Exemplar, das in der Mitte durchgeschnitten ist. Dies ist ganz konkret unter den Eindrücken der Anschläge vom 11. September 2001 entstanden, nach denen ich mich fragte, wie man diese schrecklichen Eindrücke bildnerisch verarbeiten kann.
Grundsätzlich kann man sagen, dass ich sehr analog arbeite, im Prinzip entstanden die Figuren in Handzeichnungen auf Karopapier. Für die Uerdinger Figur gab es vor zehn Jahren auch schon ein Holzmodell im Maßstab 1:1. Dies sollte zur Veranschaulichung dienen und um die Idee im Stadtteil bekannt zu machen.
Die Herstellung sowie auch die Aufstellung der Skulptur waren ein längerer Prozess. Was waren aus Ihrer Sicht dabei die größten Herausforderungen?
Natürlich war alleine schon der lange Zeitraum eine Herausforderung – und ehrlich gesagt teilweise eine fürchterliche Hängepartie. Rückblickend muss ich aber doch trotz all der Unsicherheiten über die vielen Jahre hinweg auch klar sagen: Mit dem konkreten Startschuss durch die Förderung fingen die Schwierigkeiten eigentlich erst richtig an!
Herausfordernd waren vor allem bauliche Aspekte. Bei einer Skulptur dieser Größe war schnell klar: Ich stelle dieses Ding nicht ohne statisches Gutachten auf! Dabei ging es besonders darum, ob die Verbindung der Figur zum Sockel tragfähig genug ist. Hier tauchten dann aber unerwartete Probleme auf. Normalerweise arbeite ich mit einem Steinmetz zusammen, der wiederum mit einem Statiker kooperiert. Der hatte mir damals versichert „Das hält!“, aber es lag eben kein richtiges statisches Gutachten vor. Und mittlerweile arbeitet dieser Statiker auch gar nicht mehr. Insgesamt haben wir dann acht Statiker angesprochen, bis endlich jemand bereit war, den Auftrag zu übernehmen. Alleine das hat über ein Jahr gedauert!
Schlussendlich haben wir es aber hinbekommen und auch eine Lösung für die Standfestigkeit gefunden. Was man der Skulptur nämlich von außen nicht ansieht: Zwischen Figur und Sockel befindet sich ein zwei Meter langer Stahldübel mit einem Durchmesser von 27,5 Millimetern! Dieser sorgt für die notwendige Stabilität. Bei meinen bisherigen Figuren stand ich nicht vor solchen Herausforderungen, da sie andere Formen haben und z.B. auf dem Boden liegen. Und letztlich war bei einer Figur dieser Größe (sie wiegt alleine knapp 700 Kilo) auch die Aufstellung schwierig, da sie ja auf den Sockel mit der darin befindlichen Dübelstange gehoben werden musste. Auch das erwies sich im Detail als so kompliziert, dass wir hierfür extra eine neue Firma suchen mussten, was wieder Nerven und Zeit kostet, aber unsere Geduld wurde letztlich mehr als belohnt!